Dienstag, der 20. Juli 2021

Bohrer? Loch? Bild an der Wand? Das Prinzip “Jobs To Be Done” (JTBD)


Liefern, was und wie es der Kunde braucht. Das ist DER entscheidende Erfolgsfaktor. Und trotzdem ist es oft nicht im Fokus. Wie bekommen Sie das hin? Am besten, indem sich in Ihrem Laden ALLE dem Kunden zuwenden. Und zwar interessiert. Das Prinzip „Jobs To Be Done“ könnte Ihnen dabei helfen.

Bestellt und sofort geliefert

– inzwischen haben wir uns daran gewöhnt. Erst, wenn wir solche Dinge tun wie einen Personalausweis beantragen, werden wir an die (gute?) alte Zeit erinnert, in der das mal anders war.



Und so pfeift es der ein oder andere Spatz

schon einige Zeit vom Dach: Gerade wandeln wir uns rasend schnell von einer Industriegesellschaft der Massenproduktion in eine industrialisierte Gesellschaft der individualisierten Produkte und Services.

Foto: Eigen

Doch obwohl jede und jeder Einzelne von uns schon sehr konkrete Vorstellungen davon hat

was das bedeutet – schließlich sind wir moderne, brave und eifrige Internet-Konsumenten mit guten und schlechten Erfahrungen -, zeigt sich einmal mehr:

Es braucht erstaunlich lange, bis massenhafte Erkenntnisse Einzelner ihren Weg in unsere Organisationen und Institutionen finden.

Man muss ja auch nicht gleich jede Mode mitmachen. Generell ist es sogar intelligent zunächst einmal nicht in modischen Aktionismus zu verfallen und stattdessen zu fragen: “Warum etwas ändern? Was denn eigentlich?”


Ja, warum eigentlich etwas daran ändern, wie wir zusammenarbeiten?

Oder wie wir unser gesamtes Geschäft betrachten und betreiben? Schon weit vor dem Internetzeitalter fand sich auf diese schlauen Fragen eine Antwort:

Weil Menschen zufriedenstellende Ergebnisse wollen. Und zwar ohne Scherereien.

Diese simple Wahrheit fasste der Ökonom Thodore Levitt seinerzeit in seinem berühmten Ausspruch zusammen: “Menschen wollen keinen Bohrer kaufen. Sie wollen ein Loch in der Wand.”/1/


An diesem wahren Befund

dürfte sich seither nichts geändert haben. Wenn das aber schon immer so war: Warum sollten wir uns also ändern? Hat doch bislang gereicht, was wir tun und wie wir es getan haben.

Foto: Eigen

Allem wehklagenden Wettbewerbsgezeter zum Trotz:

Produzenten, Handel, Politik und öffentlicher Dienst sowieso hatten in den letzten 150 Jahren eine bemerkenswert freie Hand, bei dem was sie taten. Das gilt besonders für den Umgang mit dem so genannten Endverbraucher. Demgegenüber hatten sie eine sehr weitreichende Angebotsmacht; und sie zögerten keine Sekunde, sie gnadenlos auszuspielen.

Selbst wenn sie es hören und verstehen hätten wollen, dass ihre Kunden und Klienten lieber ein Loch in oder besser noch das Bild an der Wand kaufen würden – der Bohrer war nun mal im Angebot. Also wurde der verkauft.


“Du willst ein Bild an der Wand? Bekommst du aber nicht.”

Dieser wenig wertschätzende, unkooperative, kundenunfreundliche Umgang hatte Tradition – und das hat er auch noch heute. Diese Tradition wurde und wird durch nichts besser verdeutlicht als durch den legendären Ausspruch des Vaters der massenhaften Produktion, Henry Ford:

„Jeder Käufer kann ein Auto in jeder Farbe haben, die er möchte. Vorausgesetzt sie ist schwarz.“/2/


Heute lassen sich Kunden mit einem solchen schenkelklopfenden Spruch

nicht mehr so leicht abspeisen. Denn heute gibt es eine weitreichende Informations- und Markttransparenz.

Heute sind vernetzte Geschäftsmodelle möglich. Heute lassen sich diese Geschäftsmodelle digital optimieren und durch Algorithmen sicherstellen. Heute haben Konsumenten (wir!) immer größere Freiheiten und Wahlmöglichkeiten, mit welchen Partnern, welchen Produkten, welchen (digitalisierten) Dienstleistungen wir das zu erreichen versuchen, was wir eben erreichen wollen./3/

Vor allem dann, wenn neue, schlaue Wettbewerber auf den Markt erscheinen, die verstanden haben, dass der Hase heute vollkommen anders läuft, setzt das etablierte Organisationen und Institutionen natürlich unter Druck. Einschließlich jener, in der wir selbst arbeiten!


Der Algorithmus lässt grüßen

Also macht es Sinn, unser aller Tun in diesen Organisationen zügig zu überdenken: Anders als zu Zeiten Henry Fords geht es heute vor allem (!) darum, den Kunden und sein Wollen zu (er-) kennen, Entsprechendes anzubieten und: verlässlich (!) zu liefern.

Es geht darum, zu analysieren (DatenDatenDaten), zuzuhören und mit den Kunden wirklich und interessiert zusammenzuarbeiten.


Wer diese Erkenntnis schon hatte

kann leicht an der Trägheit der eigenen Firmen-Masse verzweifeln: “Wieso erkennt niemand, dass sich hier dringend etwas grundlegend ändern muss?!”

Verzweifeln ist aber unangenehm und bringt meist wenig. Wenden wir uns deshalb konstruktiveren Dingen zu. Beispielsweise der Frage, wie wir die Kolleginnen und Kollegen im Team, in der Abteilung, der Organisation, der Firma oder der Behörde aufrütteln, begeistern und mitnehmen können:

Lasst uns andere, diesmal wirklich serviceorientierte Wege gehen!


Also: Service! Nur: Wie?!

Helfen könnte dabei, sich von “Jobs To Be Done” (JTBD) anregen zu lassen. Dieses Framework kommt zwar ursprünglich aus der Design-Ecke (wie üblich), lässt sich aber leicht auf jeden anderen Bereich übertragen. Ja, auch auf ganze Organisationen.

JTBD geht es vor allem darum, konsequent vom Kunden und seinen Bedürfnissen her zu denken und zu entscheiden. Und eben nicht vom Produkt, vom Service und vom Tun der eigenen Organisation heraus.

Entsprechend geht JTBD von Prinzipien aus, die die uns bekannten Organisationskonstrukte auf den Kopf stellen, z.B. :

  • Menschen wollen nur unsere Services und Produkte, um ihre eigenen Aufgaben zu lösen und nicht, um mit uns oder unserer Organisation zu tun zu haben. (Autsch!)
  • Es geht den Menschen immer (!) darum, mehr Dinge schneller und/oder problemloser zu erledigen.

Ausgehend von diesen Grundannahmen

findet JTBD sehr strukturiert heraus, was das für die anzubietenden Services, Produkte und Logistik bedeutet. Und für den gesamten wertschöpfenden (also: zufriedenstellenden) Prozess zwischen Kunden und Dienstleister bzw. Produzent. Von Anfang bis Ende.

Immer geht es dabei um die Frage: Welche Jobs möchte der Kunde bzw. möchten die Kunden erledigt haben? Wann? Wie? Mit wem? Warum?

Um das herauszufinden, nimmt JTBD ein paar wesentliche Punkte detailliert in den Blick:

  • Wer macht eigentlich den Job oder ist dafür verantwortlich? Sind mehrere Menschen involviert? Wer? Wie? Wann?
  • Was ist der eigentliche Job? Besteht er aus nur einem Job? Oder gibt es auch vorbereitende, angrenzende Maßnahmen, die mitzubedenken sind? (JTBD nimmt übrigens explizit so genannte emotionale Jobs in den Blick, was für uns, die wir ja bekanntlich in Prozesse und Ingenieurskunst verliebt sind, vielleicht besonders revolutionär erscheinen mag.)
  • Wie wird der Job erledigt? Wie sind die Schritte, wie ist der Prozess, welche Technik wird verwendet? (Ah, endlich!)
  • Welche Bedürfnisse stecken jeweils (!) wirklich (!) hinter den Jobs und seinen detaillierten Schritten?

Weil das Vorgehen sehr strukturiert und nachvollziehbar ist

eignet sich das Framework gut in prozessgetriebenen Organisationen (also: hierzulande überall). Praxisnah leitet es Schritt für Schritt an, immer erst die Bedürfnisse der Kunden und Klienten als Entscheidungsgrundlage in den Blick zu nehmen.

Somit wird die Kultur immer kundennäher ausgerichtet. Und im Endeffekt natürlich auch Angebot und Service – eine gute Voraussetzung, dort wieder mitzuspielen, wo man sich schon abgeschlagen gefühlt hat.


Die meisten von uns wissen, dass es notwendig ist, sich endlich um den Kunden zu kümmern.

Denn die meisten von uns waren (zu) oft schon selbst unverstandene, frustrierte Kunden (oder Bürger oder Mitarbeiter oder…). Die meisten von uns wissen deshalb:

Es muss heute wirklich um die Menschen und ihre Anliegen gehen. Beherzigen wir das nicht, werden wir auf absehbare Zeit im Wettbewerb wohl wenige Blumentöpfe mehr gewinnen.

Das ist unser „Job To Be Done“. Packen wir ihn an!


PS: Vielen Dank, Sebastian Moss, für den Hinweis auf JTBD. Hat meine Werkzeugkiste um ein besonders effektives Werkzeug erweitert.



Anmerkungen


Literatur