Donnerstag, der 10. Juni 2021

Agilität – kann das jeder?


Sie sollen agil arbeiten? Sie wollen es selbst? Vielleicht haben Sie schon ein paar erste agile Gehversuche gemacht? Jetzt haben Sie aber noch ein paar Fragen? Sie sind nicht allein. Ich zum Beispiel bin kürzlich gefragt worden:


Agilität – kann das jeder?

Einzelne Menschen müssen nicht agil werden.

Sie sind es nämlich schon. Jede und jeder von uns. Agil heißt nämlich: Lernen. Oder besser noch: Erfolgreich Anpassen. Und wenn Menschen etwas können – zumindest grundsätzlich – dann das.


Die Antwort lautet deshalb: Ja. Agilität kann jeder.


Und zwar ohne, dass dazu viel getan werden müsste oder gar getan werden kann. Dafür sorgt das evolutionäre „Betriebssystem“, mit welchem wir alle auf die Welt kommen.


Eine der zentralsten Prinzipien der Agilität

ist der PDCA-Zirkel, auch bekannt als „Deming-Kreis„. Der besteht aus den folgenden vier Phasen: 1. Planning, 2. Doing, 3. Checking (Studying), 4. Adjusting bzw. Acting.

Dieses Phasen wiederholen sich ständig (also tatsächlich: unendlich). Ausschließlich alle agilen Arbeitsrahmen folgen diesem Zyklus, seien es nun Kanban, Design Thinking, DevOps und besonders natürlich Scrum.


Das ist sehr intuitiv

und entspricht unserer grundsätzlichen Lebenserfahrung, weshalb sich agile Arbeitsweisen Menschen sehr schnell vermitteln lassen.

Trotzdem tun sich Gruppen von Menschen, also: Teams, Abteilungen und Firmen oft schwer damit, sich nach diesem Prinzip zu strukturieren, zu organisieren und also: so zu arbeiten


Warum ist das so?

Zum einen lässt sich das wie bei jeder Veränderung mit Physik erklären, genauer: mit der Trägheit der Masse. Schließlich geht es darum, das Verhalten mindestens einer Gruppe zu verändern. Und meistens sogar das Verhalten von mehreren Gruppen von Menschen.

Zum anderen handelt es sich um einen relativ großen Wandel. Denn wir alle haben ein anderes Arbeiten internalisiert. Nämlich eines nach hierarchischen Entscheidungs- und Verantwortungsstrukturen.


Die folgen zwar auch dem PDCA-Zirkel

allerdings auf ganz andere Weise. Das „lernende“, antizipierende und vor allem aber entscheidende Mangement ist von den Lernerfahrungen der Umsetzungs-Teams heutzutage fast vollständig entkoppelt.

Heißt: Was an der „Arbeitsfront“ geschieht, also dort, wo die eigentliche Wertschöpfung stattfindet, wird nicht, spät und/oder nur stark gefiltert bei Geschäftsentscheidungen berücksichtigt.


Anders gesagt:

Das Management in hierarchisch strukturierten Unternehmen ist heute fast vollständig von den Produktionsprozessen entkoppelt. Was bitter ist. Denn die Produktions- und Serviceteams erledigen das eigentliche Geschäft, die eigentliche Wertschöpfung findet dort statt. Das, was den Kunden interessiert.


Jetzt aber sollen alle gemeinsam daran arbeiten

diesen unguten (und auch bedrohlichen) Zustand zu ändern und die Business- und die Umsetzungsperspektive wieder gut zu verzahnen.

Und zwar eben so, dass sie das – nunja – wirklich simple evolutionäre Prinzip von Lernen und Anpassen gemeinsam angehen. Zielgerichtet im Sinne der Unternehmung.

Also auch unter dem ständigen Diktat des Erfolgs, zu dem wir uns heutzutage verplichtet und manchmal auch gezwungen sehen. Was umgekehrt übrigens auch bedeutet, sprechen wir das ruhig einmal so offen und konkret aus:


Wir agieren heute immer unter sehr großer und hemmender Versagensangst. Tendenziell, versteht sich. Trotzdem hemmt uns das auch in der Veränderungsarbeit.


Sollen Menschen neue

und vielleicht sogar agile Handlungsmuster anwenden, brauchen sie immer erst einmal eine gute Antwort auf die Frage: Warum soll ich oder sollen wir das tun?


Denn: MENSCHEN SIND INTELLIGENT, vor allem emotional intelligent. Ja: ausnahmslos alle.


Warum also sollten sie den risikobehafteten Schritt tun

und das hier und da wirklich nicht optimale, immerhin aber lange bewährte und auch halbwegs stabile und stabil-ausbalancierte, machtgestützte, hierarchische Silo-System mit einem unbekannten, also vermeintlich (!) unausgegorenen, instabilen, unsicheren, selbstorganisierten Gebilde austauschen?

Wo doch bislang alles funktioniert hat? Gut, wir ärgern uns zwar oft. Und eigentlich wissen wir, dass es hier und da wirklich nicht gut und schon gar nicht im Sinne des Kunden läuft. Aber immerhin läuft’s doch soweit, dass wir gut davon leben können. Warum also? 


Das sind intelligente und sogar vernünftige Gedanken und Fragen, die – wie erwähnt – gute Antworten erfordern. Und auch Zeit, damit die Menschen die Antworten für sich finden und in ihren Arbeitsbereich auch nachvollziehbar integrieren können.


Einzelne Menschen und auch Gruppen

von Menschen (z.B. Organisationen) gehen immer dann neue Wege, wenn sie merken, dass sie mit dem, was und wie sie es bislang getan haben, nicht mehr weiterkommen. Sprich: Wenn sie keine andere Wahl mehr haben.

Menschen müssen also die aktuelle Situation als echte (!) Krise empfinden, die sie wirtschaftlich oder sonstwie existentiell oder in ihrem Selbstbild bedroht.


Ob Einzelne, Teams oder Unternehmen agil werden hängt daher von der jeweilig spezifischen Situation und vor allem vom Reifegrad ab.


In Unternehmen gibt es zu jeder Zeit viele unterschiedliche Perspektiven und Stände, was das anbelangt. Immer werden sich Menschen finden, die in dieser Hinsicht „etwas weiter sind“ als andere.

Doch weil Agilität eine Antwort auf eine allgemeine Entwicklung ist (auch, aber nicht nur am Markt), ist eher wahrscheinlich, dass es früher oder später in einer Organisation zur Weiterentwicklung in Richtung Agilität kommen wird. Befördert durch den stärker werdenden externen Druck, heute also des (vor allem digitalen) Wettbewerbs.


Dieser Hinweis scheint mir deshalb besonders angebracht:

Egal, ob Einzelperson oder Organisation, es geht gar nicht darum, agil zu werden! Sondern darum, die unternehmerischen Aufgaben kurz-, mittel- und langfristig möglichst gut zu erledigen. Mindestens so also, dass die Unternehmung überlebt.


Dazu wird zum einen sehr nötig sein

das bestehende Geschäft mit den passenden Abläufen und Strukturen solange am Laufen zu halten, so lange sie tragen. Sicherlich werden dafür weiterhin die bestehenden, stabilen Prozesse gebraucht.

Mit der Zeit und dann immer dringender werden Unternehmen aber auch Veränderungen am Markt schneller zu antizipieren haben als sie es heute tun und auch in der Lage sind zu tun. Organisationen werden dann nicht um agilere Organisationsstrukturen herumkommen.

Und dann werden noch bessere Voraussetzungen gegeben sein, die den Menschen erlauben, (wieder) so zu arbeiten, wie sie eigentlich sind: Agil.


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