Es geht darum, Mehrwerte zu schaffen. Logisch. Und warum handeln wir dann so oft nicht danach?
Neulich verhandelte ich mit einigen KollegInnen
wie wir in einem Projekt konkret zusammenarbeiten können. Wir fanden uns sympathisch, zumindest aber schätzten wir sehr, was die jeweilig anderen an Fähigkeiten und Kompetenzen in die Kooperation einbringen konnten. Schnell waren wir uns einig, dass wir zusammenarbeiten wollten. Das wäre gut für’s Projekt. Und auch sonst fanden wir, dass wir alle dadurch Vorteile hätten – inklusive natürlich des Kunden. Die klassische Win-Win-Situation. Das, was den Mehrwert ausmacht.
Schnell war das Vorgehen abgesprochen
Wer macht wann was, wer hat welche Aufgaben. Ebenso schnell waren wir uns auch beim größeren vertraglichen Rahmen einig: Mit welchem Ziel organisieren wir unsere Zusammenarbeit auf welche Weise. Und – auch das natürlich wichtig: beim Geld waren wir uns schnell einig.
Der Vertrag, so schien es, war nur noch eine Formalie. Also tauschten wir Entwürfe aus, fragten nach, erhielten und gaben Antworten, baten um dies und das und passten nach und nach den Vertrag an.
Tragisches Verhalten
Aber dann geschah etwas Unerwartetes: Plötzlich begannen wir um wenige kleine, fast schon unscheinbare Vertragsdetails zu ringen. Wir tauschten Argumente aus, erläuterten unsere Positionen. Die Angelegenheit wurde zäh, kam ins Stocken bis schließlich einer von uns verkündete: „Ich verhandele das nicht“.
Nach einigem hin und her erkannten wir zerknirscht, dass wir wohl doch keine Basis für eine Zusammenarbeit haben. So gingen wir auseinander. Und so implodierte die Zusammenarbeit noch bevor sie gestartet war. Und mit ihr der Mehrwert, der eben noch zum Greifen nah war.
So etwas ist typisch
und kommt täglich tausendfach vor. Doch warum kommt es eigentlich dazu?
Warum scheitern hoffnungsfroh gestartete Kooperationen, die den doch so wichtigen Mehrwert versprechen? Warum scheitern sie ausgerechnet bei mutmaßlich unbedeutenden Kleinigkeiten? Wo doch meist alle überzeugt sind, so viel Größeres schaffen zu können? Ist das nicht paradox, ja geradezu tragisch?
In Verhandlungen stehen zwar Bedingungen im Vordergrund
in Wirklichkeit aber loten wir mit diesen Bedingungen ein gemeinsames Wertesystem aus. Dieses System stellt das Fundament für die Zusammenarbeit dar.
Es wird durch die konkrete Regelungen sichtbar und ist der eigentliche Motor einer jeden Geschäftsbeziehung. Denn es legt fest, worauf in der Zusammenarbeit geachtet werden wird, was für alle Beteiligten wichtig ist.
Bleibt hier irgendetwas Bedeutsames unberücksichtigt, etwas das einer/m Beteiligten wichtig ist, schwindet sofort die persönliche Motivation zur Kooperation. Gleiches gilt, wenn auch nur ein wichtiger Wert verletzt wird.
Das ist intuitiv und nachvollziehbar: Warum sich mit jemanden einlassen und sich auch noch für sie einsetzen, wenn sie wichtige Bedürfnisse von uns missachten?
Wenn dieses Frage aufkommt
ist die Basis für eine Zusammenarbeit – zumal für eine gute – von vornherein mindestens wackelig. Es ist dann sehr wahrscheinlich, dass sich nicht alle mit all ihrer Kraft und Motivation einbringen. Außerdem ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass manch eine/einer bewusst oder unbewusst das Projekt sabotiert.
Dann ist natürlich gut, von einer Zusammenarbeit abzusehen, um ungute Entwicklungen zu vermeiden.
Wenn Sie prüfen möchten, ob eine angestrebte Kooperation erfolgreich sein kann fragen Sie sich deshalb, ob die WerteSYSTEME aller Beteiligten unter einen Hut zu bringen sind. Sind die wichtigsten Bedürfnisse der Gruppe erfüllt?
Nur: Wie?
Wie geht das? Wissen wir denn überhaupt, was uns selbst wichtig ist? Mal ehrlich jetzt: Hat uns denn schon jemals interessiert, was unsere Geschäftspartner WIRKLICH antreibt? Gehen wir nicht allzu oft automatisch davon aus, dass es ausschließlich um’s liebe Geld geht? Wie oft fragen wir nach anderen, vielleicht sogar wichtigeren Beweggründen? Haben wir schon jemals danach gefragt?
Tu, was man dir sagt!
Es ist zu befürchten, dass uns auch hier ein tief verwurzeltes, jahrhundertealtes kulturelles Handlungsmuster auf die Füße fällt: Der Zwang. Gründlichst haben wir verinnerlicht, dass belohnt wird, wer tut, was man ihm oder ihr sagt. (Und bestraft, wenn wir das nicht tun.)
Dieses Muster lernen wir überall dort, wo von uns ein spezifisches Verhalten erwartet und verlangt wird. Also eigentlich überall. (Ja, auch heute noch. Heute vielleicht besonders.)
Das System von Belohnen und Bestrafen
haben wir so sehr integriert so dass es für uns IMMER völlig normal und richtig ist, Druck auszuüben (also zu belohnen oder zu bestrafen), um zu einer Handlung zu bewegen – und andersherum mit dem Druck auch umgehen zu müssen.
Denn wir haben gelernt, dass andere UNS für das, was wir tun, belohnen oder bestrafen dürfen. Und so dürfen, ja, MÜSSEN wir das je nach Stellung, Position und Situation auch tun.
Weil es ein in unserer Welt so vorherrschendes kulturelles Muster ist, hinterfragen wir dies so gut wie nie. Und wir fragen auch nicht nach besseren Methoden, jemanden zu motivieren (es gibt sie).
So wie wir dieses Leistungssystem meist automatisch und unkritisch übernehmen
integrieren wir genauso oft unreflektiert, was den Systemen, deren Teil wir sind, wichtig ist: Familie, Bildung, Beruf. Manchmal ist das Liebe oder Nächstenliebe. Und im Ausbildungs- und Berufskontext auch oft: Wettbewerb, Leistung, Status.
Ob diese Dinge für uns genauso wichtig sind, diese Frage wird uns selten gestellt. Und so fragen wir uns selbst auch so gut wie nie, was uns persönlich wichtig ist. Jetzt. Und auch ganz allgemein.
Dadurch begrenzen wir uns
in unseren Möglichkeiten. Zum Beispiel, wenn wir in Verhandlungen mehr Wert auf Status legen statt auf ein erfolgreiches Miteinander. Indem wir also z.B. sagen: „Ich lasse mir keine Zahlungsziele diktieren.“ Statt: „Was braucht’s eigentlich, um das Ding möglichst gut zum Fliegen zu bekommen?“
Das kostet.
Denn wenn wir unter Zwang agieren, gehen wir automatisch in den Widerstand. In der Folge wird mehr Energie, Zeit und Geld als nötig verbraten. Zu all dem Übel wird Kreativität praktisch vollständig der Gar ausgemacht.
Der doch so wichtige Mehrwert: Wird minimiert oder – wie das Eingangsbeispiel zeigt – sogar völlig zunichte gemacht.
Wem es um Mehrwert geht
betrachtet Zusammenarbeit deshalb als das, was Zusammenarbeit im Idealfall ist: ein Zusammen-Spiel für alle Beteiligten. Ein Spiel, bei dem Menschen besser nicht gegeneinander, sondern miteinander spielen – wenn das Maximum an Wert herausgeholt werden soll.
Als Spiel also, bei welchen man gemeinsam gewinnt oder eben auch verliert. Als Spiel, das ALLEN Spaß machen muss. Als Spiel, bei dem die Regeln immer wieder neu und gemeinsam ausgehandelt werden – und das auch gar nicht anders sein kann.
Als Spiel, in dem alle ihr Bestes geben können und das auch möchten, wenn sie für sich einen persönlichen Sinn darin sehen.
Wem es darum geht, das Maximum herauszuholen
konzentriert sich deshalb auf das Wesentliche. Das große Ganze. Das Schöpfen von Mehrwert. Das Zusammenspiel aller Kräfte, mit dem Ziel, ein für alle (!) möglichst gutes Ergebnis hervorzubringen.
Wer Kooperationen anstrebt, weil er Mehrwert schaffen will, lernt am besten daran zu glauben, dass alle Menschen IMMER ihr Bestes geben. Und dass alle Menschen eines vereint:
Sich selbst mit allen Möglichkeiten, Talenten, Wünschen und Bedürfnissen einbringen und ein möglichst gutes Ergebnis erzielen zu wollen.
Wem es um Wertschöpfung geht, sorgt nach Kräften dafür, dass keiner verliert, sondern möglichst alle viel gewinnen.
Wertschöpfung und Kooperation sollte an Schulen und Unis unterrichtet werden!
Literatur
- Bauer, Joachim: Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren.
- Axelrod, Robert: Die Evolution der Kooperation.
- Hüther, Gerald: Die Evolution der Liebe. Was Darwin bereits ahnte und die Darwinisten nicht wahrhaben wollen.
- Kohn, Alfie: Punished by Rewards.
- Nowak, Martin A., Highfield, Roger: Kooperative Intelligenz. Das Erfolgsgeheimnis der Evolution.
- Pink, Danile: Drive. Was Sie wirklich motiviert.