Dienstag, der 29. Juni 2021

Konflikte und Säbelzahntiger – Supergefährlich für Teams


Missstände und schwelende Konflikte anzusprechen fällt uns häufig schwer. Warum? Sind wir etwa nicht gestandene Gestalter, die gerne und mit Elan Entscheidungen treffen und sie wirkungsvoll durchsetzen? Wieso tun wir uns so schwer damit, Konflikte anzusprechen? Ist das normal? Soll das so sein? Ich meine: Jein! Schließlich sind wir Fluchttiere. Mit ein wenig Intelligenz.


Nach längerer Krankheit

kehrte ein Freund von mir an seinen Arbeitsplatz zurück. Sein Vorgesetzter begrüßte ihn mit einem knappen guten Morgen. Keine Frage nach dem Befinden, kein Briefing, was nun anstehe. Erst drei Tage später sprach er wieder mit ihm. In einer kleineren Projektangelegenheit.

Die Enttäuschung meines Bekannten war groß. Doch auch er suchte kein Gespräch mit seinem Chef.

Vermutlich haben wir alle schon einmal solche oder ähnliche Situationen erlebt. Wider besseren Wissens schleichen wir um unangenehme Themen herum. Schlimmer noch: Oft warten wir sehenden Auges auf den großen Zusammenprall.

Was steckt hinter diesem rätselhaften Verhalten?


Urgroßvater lässt grüßen!

Die Höhlenvergangenheit unserer Ahnen liegt lange zurück. Doch trotz der etlichen Jahre, die wir seither in unsere Evolution investiert haben, ist unser Verhalten noch immer stark von den archaischen Handlungsmustern jener Zeit geprägt.

Um uns gegen Lebensgefahren zu wappnen, dem sprichwörtlichen Säbelzahntiger, war unsere Erfolgsstrategie:

  1. Stillhalten: Solange er mich nicht sieht, geschieht mir nichts.
  2. Flucht: Oha, er hat mich gesehen. Besser nix wie weg!
  3. Angriff: Jetzt hat er mich gleich: Jetzt heißt’s kämpfen, er oder ich!


Mit wilden Tieren haben wir es heute selten zu tun.

Heute sind es unsere domestizierten Artgenossen, die um uns herumschleichen und auf die es zu reagieren gilt. Gerade, wenn wir dabei spontan sind, verhalten wir uns oft noch wie damals.

Und der Erfolg gibt uns Recht: Manch eine E-Mail erledigt sich, wenn wir sie lange genug ignorieren. Eine Sitzung früh zu verlassen, bewahrt uns manchmal vor ungeliebten Aufgaben. Und wenn alles nichts hilft, argumentieren wir uns mehr oder minder angriffslustig aus so mancher Situation. Bei Sachfragen ist das oft pragmatisch schlau.


Der Säbelzahntiger der Neuzeit

Sehr viele Teamangelegenheiten sind aber zwischenmenschliche Angelegenheiten. Sie sind die wahren Säbelzahntiger der Neuzeit. Und sie erweisen sich als äußerst langlebig und widerstandsfähig.

Der Grund: Es handelt sich hierbei um Fragen nach Interessensausgleich und Bedürfnisbefriedigung. Mit Bedürfnissen ist’s so eine Sache: Wir entwickeln aufgrund unserer individuellen Lebenserfahrungen unsere ganz eigenen, und wir achten darauf, dass sie möglichst maximal erfüllt sind!


Deshalb gehören

zum Zusammenleben wie zur Zusammenarbeit kleinere und größere Auseinandersetzungen. Die werden jeden Tag aufs Neue geführt. Und auch zwar so lang bis die Bedürfnisse angemessen berücksichtigt werden. Und das muss übrigens so sein.

Hier zeigen sich viele Spielarten: offen oder unterschwellig, aktiv oder passiv, bewusst oder unbewusst, in Freundschaft oder in herzlicher Feindschaft.

Natürlich sind wir dabei zunächst auch kompromissbereit. Wird aber ein wichtiges Bedürfnis dauerhaft nicht erfüllt, so ist das die Grund für einen größeren Konflikt, der früher oder später und in aktiver oder passiver Form ausbricht. Das kann sich dann nach Außen auf die eigene Umgebung richten oder auch nach Innen gegen sich selbst.


Unser archaisches Handlungsmuster

entpuppt sich also in diesen sozialen Streitfragen als Problem. Und als ernstzunehmende Gefahr für Teams und deren Leistungsfähigkeit. Denn ob Stillhalten oder Weglaufen: Beides löst den Konflikt nicht.

Angreifen? Ist der Versuch den Menschen niederzuringen oder in die Flucht zu schlagen, nicht aber das eigentliche Problem! Der sichere Effekt dieser Variante ist, dass der oder die „Beteiligten“ in jedem Fall geschwächt sind – wenn nicht einer sogar ganz weggefegt wird.


Einer der größten Nachteile, die das Vorgehen nach Urahnen-Art hat

ist, dass immer auch das Team in Mitleidenschaft gezogen wird. Denn zeitweise gerät der eigentliche Arbeitsauftrag aus dem Blick. Energie wird für den Konflikt aufgebracht, aber nicht für Teambelange verwendet.

Dies gilt sowohl für die Streitpartner als auch für große Teile des nur indirekt beteiligten Teams: Eine spannende Rauferei sieht man sich gerne an. „Mal sehen, ob mein Favorit gewinnt.“

Dieser Effekt wird zusätzlich verstärkt, indem die Streitparteien dazu neigen, Allianzen zu schmieden und Unterstützer hinter sich zu versammeln.

Ist es erst einmal so weit, dann ist die Kooperationsbereitschaft der Gruppe in allerhöchster Gefahr und damit der Erfolg des gesamten Teams.


Schwelende Konflikte – Der Grippevirus für Teams

Auseinandersetzungen, auch zwischen Einzelpersonen, bergen also stets eine große Ansteckungsgefahr für Gruppen: Das Karussell beginnt sich mit verhärteten Fronten zweier Teammitglieder oder Parteien zu drehen, nimmt mit Koalitionsbildungen immer schneller Fahrt auf, bis es in der letzten Stufe heißt: „Gemeinsam in den Abgrund!“

Wird ein Konflikt ignoriert, kommt in jedem Fall diese Eskalation in Gang. Je weiter sie fortschreitet, desto schwerer fällt es den Konfliktpartnern, aktiv und aus eigenem Antrieb positiven Einfluss auf das Geschehen zu nehmen und das Karussell anzuhalten. Ab einem übrigens schon sehr frühen Stadium können die Streitparteien Ihren Konflikt gar nicht mehr aus eigener Kraft heraus lösen.


Was also tun?

Akzeptieren Sie die Tatsache, dass widerstrebende Interessen und die Auseinandersetzungen zum Alltag gehören.

Nehmen Sie auch als nur indirekt betroffenes Teammitglied – und als Führungskraft sowieso – persönliche Streitpunkte und Einwände ernst.

Sprechen sie sie frühzeitig an und moderieren Sie so neutral wie möglich.

Dafür gibt es eine Reihe hilfreicher und praktikabler Methoden, die Sie lernen können. Zum Beispiel die Gewaltfreie Kommunikation oder Teile des Harvard-Konzepts. Vor allem die Themenzentrierte Interaktion bietet gute, praktikable Ansätze dafür.

Für den Anfang reicht aber sicher Ihr gesunder Menschenverstand und Ihre sprachlichen Bordmittel: „Schön, Sie zu sehen! Wie geht’s Ihnen? Können wir nachher sprechen, wie es jetzt weitergeht?“


Literatur & Links