Mittwoch, der 21. Juli 2021

Tooling #2: Der gute alte Happiness Index


Was sind die wichtigsten Tools für meine Arbeit? Dieses Mal: Der gute alte Happiness Index.


Oft sind es die einfachen, unscheinbaren Dinge

die wir ganz unbedingt brauchen. Im Haushalt ist der Phasenprüfer so ein Werkzeug. Kein Handwerker kommt ohne diesen ziemlich profanen und günstigen, aber eben doch sehr wichtigen Spezialschraubenzieher aus. Nicht der Amateur. Und schon gar nicht der Profi.

Für mich und meine Arbeit ist der Happiness-Index ein solches Werkzeug. Auch er ist ziemlich profan und günstig. Ohne ihn komme ich nicht aus.

Foto: Eigen

Was ist der Happiness Index?

Der Happiness Index fragt im Team die aktuelle Zufriedenheit der Teammitglieder ab. Die Menschen werden eingeladen, ihre Zufriedenheit anzugeben, und zwar auf einer Skala zwischen 0 („unterirdisch“) bis 5 („besser geht‘s nicht“).

Auf einem Flipchart zeichne ich dazu eine Linie und deute die Stufen eins bis fünf an. Danach setzen die TeilnehmerInnen mit einem Flipchartmarker einen Strich dort, wo sie sich gerade verorten. Das Ganze geschieht entweder offen, also so, dass alle zusehen können, während jemand wo einen Strich macht.

Manchmal ist es den Teammitliedern aber lieber, dass der Happiness Index verdeckt abgegeben wird, also nicht sichtbar ist, wer wo welchen Strich setzt. In diesem Fall drehe ich das Flipchart um, so dass die TeilnehmerInnen nach und nach hinter das Flipchart treten und ihr Votum abgeben können. Danach drehe ich das Flipchart um und präsentiere das Ergebnis.

(In digitalen Veranstaltungen simuliere ich diesen Vorgang an elektronischen Boards, indem ich Punkte auf eine Linie ziehen lasse.)


Warum ist der Happiness Index ein so wichtiges Arbeitsmittel?

1. Simpel und effektiv

Er ist schnell eingeführt, einfach zu handhaben, er macht Spaß und vor allem: Er ist niederschwellig und wahnsinnig effektiv. Menschen erkennen sehr schnell seinen Nutzen. Und: Er wirkt auf so vielen wichtigen Ebenen gleichzeitig.


2. Sand aus dem Getriebe!

Es gilt zurecht: „Störungen haben Vorrang“. Und mit dem Happiness Index lässt sich gut erkennen, ob eine oder gar mehrere Störungen vorliegen.

Alles, was größer/gleich drei ist, ist unkritisch. Sicher gibt es viele Verbesserungsmöglichkeiten, aber insgesamt bewegt sich das Team im grünen bis sehr grünen Bereich.

Gibt es allerdings ein oder mehrere Meldungen von kleiner als drei, ist das ein Zeichen dafür, dass im Team gerade jemand mit vielleicht sogar mehreren Problemen zu tun hat, die gelöst werden sollten. Jemand braucht vielleicht Hilfe vom Team.

Dann mache ich das Angebot, sofort darüber zu sprechen. Denn zumindest ein Teil des Teams ist sonst nicht ganz bei der Sache. Oder ein Thema wächst sich gerade zu einem größeren Problem aus. Dann leistet das Team nicht optimal. Und das u.U. über eine längere Zeit.



3. Nur, was sichtbar ist…

Mit dem Zufriedenheits-Votum gebe ich den Teammitgliedern und TeilnehmerInnen die Möglichkeit, sich eines der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Teams buchstäblich vor Augen zu führen: Zufriedenheit und Motivation. Nur, was sichtbar ist, kann besprochen, bearbeitet, gemanagt werden! Im normalen Betrieb aber fehlen uns oft die Möglichkeiten, der Rahmen, die Mittel, wichtige Dinge auf diese Art im Team anzusprechen. Der Happiness Index schafft genau diesen Rahmen.

Wichtig ist allerdings, die Frage nach der „Happiness“ eher allgemein zu halten und nicht eng zu fassen. Es geht um die AKTUELLE Zufriedenheit der einzelnen Teammitglieder. Denn wo der eine noch allgemein zufrieden ist, ist für die andere vielleicht Schluss. Da, wo der eine fachliche Kriterien für die eigenen Zufriedenheit heranzieht, sind es bei der anderen vielleicht gerade emotionale Faktoren. Und alle Kriterien sind aber gleichberechtigt.

Oft ist schon das bloße Aussprechen eines Missstandes ausreichend und hilfreich. Vor allem aber ist ENTSCHEIDEND dass das Team sich austauscht. DAS ist auch motivierende Momentum für Leistungsteams.

Denn so erleben die Teammitglieder, dass sie eben keine Einzelkämpfer sind, sondern zu einem Team gehören, in dem man sich gegenseitig helfen kann und auch hilft. (Oder auch: Indem man sich gegenseitig zu helfen hat.) So demonstrieren sie sich Selbstwirksamkeit, was eines der wichtigsten Faktoren für Zufriedenheit, Motivation und schlussendlich eben auch Teamleistung ist.

Abgesehen davon ist es schlicht ein gutes Gefühl. Es macht Spaß und stolz, Teil einer Gruppe zu sein, die gemeinsam Erfolg haben möchte und sich deshalb gegenseitig hilft.


4. Professionell agieren – diesmal echt

Ziel muss sein, dass sich das Team (inklusive Management!) wertschätzend und auf Augenhöhe begegnet, selbst wenn es emotionale und fachliche Streitpunkte gibt. Zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren für Teams gehören Konfliktfähigkeit, Lösungsfokus, Flexibilität, Kreativität. Also sind die (leider weit verbreiteten) unguten dysfunktionalen Muster auf- und abzulösen.

Statt sich gegenseitig Vorwürfe zu machen, ist ein anderer Umgang zu pflegen und das gemeinsame Ziel in den Blick zu nehmen. WICHTIG hierfür ist, dass es beim Angebot bleibt und niemand gedrängt oder gezwungen wird, sich zu offenbaren.

Es ist zu akzeptieren und zu respektieren, wenn jemand gerade nicht in der Lage ist sich zu äußern. Gleichzeitig ist allerdings wichtig, deutlich zu machen, was die Konsequenz davon ist: Wichtige, kritische Punkte und Streifragen können dann NICHT bearbeitet werden.


Meine Botschaft im Teamcoaching ist dann: Es gibt (manchmal) gute Gründe, sich in einer großen Runde nicht zu offenbaren und Themen in kleinerer Runde zu lösen. Generell aber mit persönlichen Kritikpunkten hinterm Berg zu halten, ist unprofessionell und belastet den Teamerfolg (und sorgt dauerhaft für persönliche Unzufriedenheit).


In Kürze

Der simple Happiness Index, jene paar Striche auf dem Flipchart, ist eines der wichtigsten und professionellsten Tools im Teamgeschehen, die ich kenne. In den wichtigsten Besprechungen jeweils zu Beginn und zum Schluss durchgeführt versetzt es das Team in die Lage, wichtige, u.U. schwer sichtbare Störungen zu identifizieren und dann so gut es geht konkret abzustellen.

Aus meiner Erfahrung ist eines der schönsten Effekte, dass Teams, die über eine gewisse Zeit mit dem Happiness Index arbeiten, damit beginnen, von einem Defizitfokus hin zu einer lösungsorientierten Praxis und Sprache finden. Denn die Teammitglieder setzen sich REGELMÄSSIG (!) mit der Frage auseinander, was generell wichtig ist, und ob sie alles haben, was sie brauchen, um gut und zufrieden arbeiten zu können.

Teams werden so konfliktfähiger, fokussierter, professioneller. Und, was mich besonders freut: kreativer, freundlicher, zufriedener. Mit anderen Worten:

Teams werden durch den Happiness Index so sehr gut.

Wer wollte das nicht?



Anmerkungen