Montag, der 5. April 2021

Was tun, wenn der Kollege nicht mitzieht?


Was tun, wenn jemand mauert und nicht mitmachen möchte? Wie lassen sich unwillige Kolleginnen oder Kollegen zur Mitarbeit gewinnen? 


Würden Sie etwas tun oder sich für etwas engagieren, was für Sie keinen Sinn macht? Worin Sie keine Vorteile sehen? Glauben Sie, dass es anderen Menschen anders ergeht als Ihnen? Dachte ich mir.

Ihr Gefühl täuscht Sie nicht: Für ALLES, was wir Menschen tun, brauchen wir (für uns) ÜBERZEUGENDE Beweggründe.

Was bedeutet diese simple motivationspsychologische Erkenntnis, wenn sich der Kollege sperrt, der Kunde sich ziert, Ihr Kind die Hausaufgaben nicht machen möchte oder Sie selbst sich davor drücken, ihr Büro endlich aufzuräumen? Die Antwort: Es fehlt ein überzeugendes „Warum“, das entscheidende psycho-logische Argument, die Motivation, der Sinn.


Sinn ist individuell

Es wird uns hierzulande anders vermittelt, und wir wünschen es uns vielleicht auch gelegentlich anders. Dennoch: Wie Menschen Sinn für sich definieren und wie sie einzelne Situationen bewerten ist allein ihre eigene Sache. Persönlicher Sinn ist abhängig davon, was jede/r Einzelne braucht, was ihr/ihm wichtig ist, welche Erfahrungen sie/er mitbringt und welche Ziele sie/er anstrebt. Und als ob das nicht schon kompliziert genug wäre, hängt persönlicher Sinn zudem von den konkreten Umständen ab.

Für uns selbst ist es schon schwer (bis unmöglich), unser eigenes Motivations- und Sinnsystems konkret zu kennen, bewusst zu steuern oder gar zu ändern. Oder können Sie IM DETAIL und GENAU sagen, warum Sie so sind wie Sie sind? Warum Ihnen manche Dinge wichtiger sind als andere und wann? Können Sie in jeder Situation genau und konkret benennen, WARUM Sie sich WIE verhalten? Wenn uns das schon für uns selbst so schwer fällt: Wie soll uns das bei anderen gelingen?


Sand im Getriebe – „Basta!“

Wir haben es also mit einer komplexen Situation zu tun haben. Und die ist auch noch konfliktträchtig. Schließlich will jemand nicht so, wie wir das wollen. In dieser schwierigen, vielleicht sogar nervraubenden Situation greifen wir gerne zu einfachen Mitteln: „Basta!“, „Mir doch egal!“, „Ich habe Recht!“, „Das wird jetzt so gemacht!“ oder auch: „Ist ja auch nicht so wichtig.“

In komplexen Situationen mit einfachen Mitteln zu agieren, ist natürlich möglich. Im zwischenmenschlichen Miteinander (und nicht nur dort) birgt dies aber die einigermaßen große Gefahr, dass mit dem vermeintlichen Befreiungsschlag noch mehr Sand ins Getriebe kommt, noch mehr Widerstand aufgebaut wird, noch mehr Konflikte entstehen oder eskalieren. Oft zum Leidwesen des maximal guten Ergebnisses.

Wer diese Falle umschiffen und einen guten alternativen Weg gehen möchte, dem könnte die Erkenntnis helfen, dass wir alle dazu neigen, automatisch und unbewusst mit einfachen, meist eben zwanghaften Mitteln zu hantieren. Denn ob es uns passt oder nicht und auch wenn sich ganz zaghaft etwas zu ändern scheint:

Wir entstammen alle einer misstrauensgeprägten, defizitorientierten hierarchisch-autoritären Wettbewerbskultur, die daran glaubt, dass der maximierte Gewinn von Einzelnen auch der Gemeinschaft nutzt. Andere, z.B. kompromiss- oder gemeinschaftlich orientierte Ansätze sind unterrepräsentiert. Sie sind zweite Wahl – wenn überhaupt. Das führt dazu, dass wir hinter Widerständen mindestens Unwillen, oft Gegnerschaft, manchmal sogar niedere Beweggründe vermuten („Der steht mir im Weg!“, „Die will nicht!“).

So gepolt können wir im Verhalten, in den Schwierigkeiten oder den Einwänden unseres vermeintlichen Kontrahenten kaum eine persönliche Sinnsuche und damit eine positive Motivation für Erfolg erkennen (auch den gemeinsamen). Es widerspricht unserer Kultur und all dessen, was uns als wichtig und richtig vermittelt wurde – und immer noch wird (siehe Bild).

Und so unterstellen dann z.B. manche LehrerInnen ihren SchülerInnen, sie wären faul und wollten gar nicht lernen, ja sie würden sogar absichtlich Fehler machen. Eltern meinen dann, LehrerInnen wollten ihre Sprösslinge damit gängeln. BeraterInnen meinen, dass die Schwierigkeiten oder Fragen ihrer Klienten von Unwillen oder generelle Unfähigkeit zur Veränderung herrühren. Und MitarbeiterInnen fühlen sich lediglich als Befehlsempfänger für ihre Chefs, deren Meinung nicht gefragt ist.

Dieses sich selbst verstärkende Defizit- und Misstrauensmuster, das wir für uns selbst interessanterweise selten akzeptieren wollen (denn wir wollen und können ja!), gibt uns das vermeintliche Recht, Zwang einzusetzen. Besonders gilt das vermutlich eben in den hierarchischen und leistungsgeprägten Strukturen, die so typisch sind für unseren Alltag. Also bauen wir z.B. Druck auf, indem wir Einwände ignorieren oder abbügeln, Vorwürfe formulieren, für vollendete Tatsachen sorgen oder Strafen verteilen. Und zwar im Brustton der Überzeugung: Müssen wir nicht auch selbst manchmal zu unserem Glück gezwungen werden? Zum Wohle aller?


Was du nicht willst, das man dir tu…

Die sozialen Kosten für diese Schritte sind hoch. Sie werden vermutlich nur von den seelischen Kosten übertroffen, die gleichzeitig entstehen. Beide werden in heißen oder teilweise lang schwelenden kalten internen und/oder externen Konflikten beglichen, in welchen Möglichkeiten zu offenen oder versteckten Retourkutschen selten ausgelassen werden. Auch wenn wir uns vielleicht daran gewöhnt haben, dass das vielfach so läuft: Es ist das glatte Gegenteil dessen, was die Beteiligten eigentlich beabsichtigen – am allerwenigsten wir selbst. Denn wollen wir nicht das Beste? Wollen wir nicht, dass jeder mitmacht und sich maximal einbringt – zum Wohle eines guten Ergebnis? Wollen wir uns nicht gut fühlen bei dem, was wir tun?

„You can’t get them all, even Jesus lost one out of twelve.“
Frank Farrelly

Wie sich also verhalten, wenn ein Kollege nicht mitziehen will? Sicher ist, dass wir nicht in jeder Situation alle und jeden überzeugen werden können und wir also unter Umständen an einen Punkt kommen, an dem wir eine Entscheidung fällen, die nicht jedem passt. Sicher ist aber auch, dass das auf keinen Fall unser erstes und besser auch nicht unser einziges Mittel sein sollte./2/

Was also tun? Für die Beantwortung der Frage hilft vielleicht, sich zu fragen, was Sie sich selbst wünschen, wenn Sie einen Einwand vorbringen und somit vermeintlich signalisieren, dass Sie „nicht wollen“. Meine Antwort ist: Ich wünsche mir, dass mir meine Gesprächspartner ausschließlich gute Absichten unterstellen und diese auch wertschätzen – selbst wenn sie andere Ansichten haben. Ich wünsche mir Offenheit und ein ehrliches Interesse an meiner Meinung und meiner Expertise. Und vor allem wünsche ich mir, dass wir im gemeinsamen Gespräch einen motivierenden Sinn für die gemeinsame Sache finden.


Und ich wünsche mir, dass ich das, was ich mir für mich wünsche, auch meinen Gesprächspartnern entgegenbringe. Und weil das ein Wunsch ist, den ich mir selbst erfüllen kann, beginne ich genau damit. Für’s Erste finde ich das schon sehr gut. Und Sie?


Dieser Text erschien zuerst am 23. Januar 2017 auf dem Teamworkblog.


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