Dienstag, der 6. Juli 2021

Wie man ALLES richtig macht.


Wir leben in Zeiten konstanter Beanspruchung. Für unseren Tagesablauf gilt dasselbe wie für unser Leben: Durchgetaktet von früh bis spät! Im Kindergarten Fremdsprachen, in der Grundschule Berufsorientierung, minderjährig an die Uni, zügig den Abschluss absolvieren – mit Auslandssemester. Einstieg in den Traumjob, die ersten Sporen verdienen, dann richtig Karriere machen. Nebenbei finden wir unser Lebensglück und gründen eine Familie. Alles richtig gemacht?


Alles richtig gemacht?

Ein allgemein gültiges Maximierungsgebot

sorgt dafür, dass alle Lebensbereiche gründlich ökonomisiert sind. „Möglichst viel!“ lautet die (selten hinterfragte) Devise. Folgerichtig treibt uns ein Effizienzdiktat an, stets sämtliche Möglichkeiten abzuwägen, um zum richtigen Zeitpunkt richtig zu entscheiden. Wir recherchieren und analysieren pausenlos, entscheiden und planen unsere Stunden, Tage, Wochen, Monate und sogar Jahre: Nichts dem Zufall überlassen, Fehler ausschließen!



Unser Erfolg gibt uns recht, alles richtig gemacht!

Schließlich sitzen wir am gut bezahlten, verantwortungsvollen Arbeitsplatz. Warum aber sitzen wir dort immer häufiger mit schalem und müdem Gefühl? Brennt uns hier was an? Warum?


Zufrieden im Ziel

Ziele zu erreichen ist ein großartiges Gefühl. Wir hängen uns rein, strengen uns an und wachsen manchmal sogar über uns hinaus. Um in dieser Art Leistung zu bringen, müssen wir natürlich gefordert werden. Am besten gehen wir dabei an die Grenzen unserer Fähigkeiten ohne sie zu überschreiten. Denn so aktivieren wir alle unsere Kräfte ideal, kombinieren sie kreativ und flexibel und setzen sie zielgerichtet ein.

Belohnt werden wir mit dem befriedigenden Gefühl von kontrollierter Selbstwirksamkeit – die Grundlage für dauerhafte Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit.

Das Problem: Beides stellt sich nur unter bestimmten Umständen ein: Erstens braucht es emotionalen (!) Sinn. Und zweitens müssen wir in der Lage sein, Gefühle zu spüren.


Emotionale Sinnhaftigkeit

entsteht stets situativ in einer Mischung aus individuellen Werten, Bedürfnissen und aktuellen Anforderungen.

In aller Regel sind wir uns dessen nicht bewusst.

Wie uns überhaupt die vielen physischen und psychischen „Programme“ meist unbekannt sind, die uns dazu bringen, uns wofür auch immer ins Zeug zu legen.

Sicher ist aber: Es ist nie ein „externer“ oder allgemeingültiger, sondern immer ein spezifischer Motivator, der von uns selbst und unserer Geschichte abhängt und nur für uns Geltung hat.


Wenn wir uns über einen langen Zeitraum anstrengen

senkt das unsere Fähigkeit zum Fühlen und zu Mitgefühl (auch uns selbst gegenüber). Auch hierfür sind die vielen, teilweise archaischen Körperreaktionsmuster verantwortlich, die uns so selten bewusst sind, und auf die wir nur sehr begrenzt Einfluss haben.

Ihr Ziel ist, alle Kräfte auf die anstehende Aufgabe zu konzentrieren. Erst nachdem wir sie bewältigt haben, ist in der folgenden Erholungsphase Freude über den Erfolg oder Trauer über den Misserfolg möglich – und Regeneration.

Wir sind dann müde. Und je nach Erfolg und Sinnhaftigkeit der Aufgabe entsprechend zufrieden.


Alarm!

Folgt ohne Pause eine Beanspruchungsphase auf die andere, befinden wir uns in einem Zustand dauerhafter Anspannung. Sämtliche Körperfunktionen bleiben dann in der konzentrierten Habacht-Stellung.

Buchstäblich und sinnbildlich entwickeln wir dann einen hartnäckigen und fokussierten Tunnelblick, der sich u.a. so äußert: flache Atmung, angespannte Muskeln, Blut in Armen und Beinen (statt z.B. im Gehirn), heruntergesetzte Schmerzempfindlichkeit und verminderte Empathie.


Vor allem wird der Stoffwechsel angepasst

der die Abläufe im Gehirn maßgeblich steuert. Unsere Wahrnehmung und unser Denken verändern sich, u.a. mit dem Effekt, dass wir ältere und bewährte Denk- und Handlungsmuster, die wir mehr oder weniger automatisiert ablaufen lassen können, benutzen.

Mit anderen Worten: Wir sind nicht mehr Herr all unserer Sinne, unsere Möglichkeiten werden enorm beschränkt.

Lange anstrengende Phasen sorgen deshalb nicht nur dafür, dass wir konstant Kräfte verlieren und wir dadurch müder werden. Unser urmenschliches Erbe ist auch, dass wir zwangsläufig an Kreativität, Flexibilität und Selbstkontrolle einbüßen.

Zudem verändert sich unsere Persönlichkeit, weil wir anders fokussieren, denken, fühlen und handeln. Wir sind anfällig für Übersprungshandlungen und Blackouts.


Immer locker bleiben

Dieses Prozedere gilt nicht nur für einzelne Menschen, sondern auch für Teams, Gruppen, Unternehmen und sogar Gesellschaften.

Wer größtmögliche Leistungsfähigkeit, Kompetenz und Zufriedenheit für sich und sein Umfeld dauerhaft herstellen möchte, sorgt deshalb grundsätzlich dafür, dass auf anstrengende Phasen Pausen und entspannende Zeiten folgen.

Es gibt viele praktikable Tipps, um für sich effektive Pausen im Alltag einzuführen und sich so „fit“ zu halten (siehe Literaturhinweise und Anmerkungen).

Besonders wichtig ist aber, seine eigenen Stressmuster kennenzulernen – inklusive geeigneter Maßnahmen, ihnen im Falle des Falles gut zu begegnen.


Für alle, die Teams und Organisationen in guter, leistungsfähiger Verfassung halten möchten oder müssen

bieten sich zudem agile Managementmethoden an. Deren Ziel ist explizit, strukturelle Überforderung zu verhindern und größtmögliche Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit sicherzustellen.

Bei Scrum z.B. konzentrieren sich deshalb alle Maßnahmen darauf, organisatorischen (!) Sinn zu stiften, individuelle und organisatorische Leistungsgrenzen abzufragen und sich darin zu bewegen und durch festgelegte Rhythmen und Zeitfenster für bestimmte Arbeiten einen Wechsel von Anspannung und Regeneration herzustellen.

Zu welchen Maßnahmen Sie sich auch entscheiden, um selbst oder im Team leistungsfähig, zufrieden und gesund zu bleiben, eines werden sei dabei immer tun: Sich selbst und andere beobachten, befragen und neu justieren.

In diesem Sinne: Passen Sie auf sich auf! Dann haben Sie schon (fast) alles richtig gemacht!



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