Donnerstag, der 24. Juni 2021

Agile Teilprozesse implementieren – geht das?


Sie wollen oder sollen agil arbeiten? Sie haben selbst Lust darauf? Jetzt haben Sie noch ein paar Fragen? Sie sind nicht allein. Ich bin zum Beispiel kürzlich gefragt worden: 


Wie können agile Teilprozesse implementiert werden, wenn nicht die ganze Organisation agil arbeitet?


Agile Prozesse lassen sich nicht implementieren.

Zumindest dann nicht, wenn es wirklich darum gehen soll, die Dinge anders, nämlich flexibel marktnäher, risikoärmer, innovativer und profitabler, kurz also: agiler anzugehen.


Das Wort „implementieren“ entstammt

einem schon länger sehr weit verbreiteten maschinenhaften Weltverständnis, also unserer prozesshaften Kultur (die ihren Ausgang in der ersten Industrialisierungwelle hat und von manch einem als zwanghaft empfunden wird).

Diesem Verständnis nach funktionieren Organisationen (und Menschen, eigentlich aber die ganze Welt und alle ihre Phänomene) nach mehr oder weniger einfachen Ursache-Wirkungs-Prinzipien, eher also wie Maschinen. Deshalb sprechen wir z.B. von „Ressourcen“ oder „Zahnrädchen“ im großen „Getriebe des Unternehmens“.

Dieses Weltbild ist deshalb weit verbreitet, weil ein solches Organisieren, Arbeiten, Sprechen und Handeln im Massenproduktionsgeschäft des 20. Jahrhunderts DAS Erfolgsmuster schlechthin war.

Und das ist es für viele Business-Prozesse noch heute.


Agilität hat diese Weltsicht allerdings hinter sich gelassen.

Nicht etwa deshalb, weil auf dieses Weltbild aufbauende Organisationsmuster per se schlecht oder schlechter wären. Sondern deshalb, weil sie für viele heutige unternehmerischen Herausforderungen nicht mehr hilfreich sind.

Und mehr noch: Sie verhindern sogar unseren Erfolg.

Denn es geht eben heute immer weniger um Massenproduktion und immer stärker um individualisierte, angepasste, sehr sehr marktnahe, schnell verfügbare und in die breite getragene Services und Dienstleistungen.


Agile Arbeitsweisen bringen ganz offensichtlich

sehr viel Methodisches und sogar sehr stark Prozesshaftes mit sich. Umso mehr ist – unbedingt! – hervorzuheben:

Bei Agilität handelt es sich eben genau nicht um standardisierte Strukuren oder Abläufe, die es irgendwie zu „implementieren“ gilt. Es handelt sich um Arbeitsrahmen, die jede Organisation mit den für sie hilfreichen und passenden Abläufen und Prozessen zu füllen hat.


Dabei werden Organisationen eher als „Organismen“ verstanden.

Das komplexe (im Gegensatz zu: komplizierte), adaptive, eben lernend-anpassende Element in der Zusammenarbeit und im Zusammenleben wird dadurch anerkannt. Und dies vor allem anderen (natürlich) in den Produktions- und Kundenbeziehungen.

DESHALB ist Agilität die Organisationsform der Stunde. Denn anders als ihre hierarchische, prozessgetriebene, maschinenhafte, tendenziell zwanghafte Schwester namens „Command-and-Control“ kümmert sie sich um die wandelnden, eher kreativeren und somit eben auch nicht mehr so sehr vorhersagbaren Geschäftsfälle, die uns nun schon länger und im vernetzten Informationszeitalter immer mehr umtreiben werden.


Es lässt sich also nicht oft und laut genug hervorheben:

Es geht immer weniger um stabile Massenproduktion, die wir ja wirklich aus dem Effeff beherrschen (und umgekehrt).

Allerspätestens (!) seit Google und Amazon geht es eben immer mehr um: Services, Services, SERVICES! Und die lassen sich mit den Mitteln der Massenproduktion alleine schlecht bis gar nicht organisieren.

Allerdings – und das gehört auch zur Wahrheit – auch nicht ohne sie. (Siehe Video von John Kotter unten.)


Wie ist das also mit der Implementierung von agilen Teilprozessen?

Natürlich ist möglich, dass auch einzelne Teile einer Organisation agil werden. Aber muss das denn sein?

Wäre vorher nicht vernünftiger zu klären, wo Ihnen Agilität kurz-, mittel- und langfristig am meisten helfen kann? Um danach die nötigen Schritte einzuleiten?

Das hätte den Vorteil, dass man nicht einen Großteil der Belegschaft mit dem typischen Umstrukturierungsgedöns tyrannisieren und die üblichen Kollateralschäden mitfinanzieren müsste („Wer nicht agil wird, fliegt!“). Ist doch auch so schon viel Aufregung drin, wenn die Dinge nicht mehr so rund laufen.

Warum also kopflos noch mehr Stress machen, indem man etwas zwanghaft zu oktroieren (oder: „implementieren“) versucht, was sich nur adaptieren lässt? Ach so, da fällt mir ein: In diesem Spiel geht es übrigens auch sehr oft einfach nur um Macht…


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