Donnerstag, der 8. Juli 2021

Gibt es agiles Management?


Viele Führungskräfte und MitarbeiterInnen fragen sich, was Management in einer agilen Umgebung bedeutet. Was ist an agilem Management anders als bisher? Brauchen wir explizit agiles Management? Und falls ja, was bedeutet das?

Überall, wo nun Agilität verordnet ist

ergeben sich für viele Führungskräfte und Mitarbeitende die ganz praktische Alltagsfrage: Was um alles in der Welt heißt das nur konkret für mich als ManagerIn, ProjektmanagerIn oder Teamitglied, was für das Management oder die allgemeine Organisation?

Natürlich gilt: Management ist und bleibt Management. Und ja, ob es wirksam oder unwirksam ist, ist von Kontext und individuellem Wirken der Beteiligten abhängig.

Wie bei einer Wurzelbehandlung verortet sich allerdings auch genau hier der große Alltagsschmerz, den all jene verspüren, die nun agil arbeiten und gute, am besten exzellente Ergebnisse produzieren sollen. Leider aber finden sie selten die Voraussetzungen dafür vor, die es braucht, damit Agilität überhaupt positiv wirken kann.



Agile Ansätze haben sich entwickelt

weil sie im Vergleich zu den bis dato angewendeten Organisationsformen in bestimmten Bereichen wettbewerbsfähigere Antworten versprachen. Veränderungen solcher Art bringen immer einen Wandel der Prioritäten, der Perspektiven, der Herangehensweisen und auch: der Weltsichten mit sich.

Und damit auch viele Reibereien.

So ist das auch bei der Agilität. Sie bietet allerdings besonders viel Stoff für Konflikte. Denn ihre Grundüberzeugungen sind überaus konträr zu bisherigen Managementphilosophien. Und auch ihr struktureller Aufbau ist radikal anders als alles bisher Praktizierte.

Deshalb verläuft ein agiler Change für involvierte Einzelpersonen und gesamte Organisation meist besonders konfliktträchtig. Es geht ans Eingemachte, um Überzeugungen und Werte, um den richtigen Weg, die ganz großen Themen also: Führen, Motivation, Vertrauen, Gruppen- statt Einzelleistung, Status etc.


Dem agilen Gedanken

liegt letztlich ein vollkommen anderes Verständnis von Menschen, Organisationen, deren Motivationen und Wirkweisen zugrunde, nämlich ein im reinsten Sinne konstruktivistisch-systemtheoretisches – genau das macht den agilen Vorteil aus. Mit den Worten meines lieben Kollegen und Mentors, Jan Fischbach, gesprochen:

„Menschen und menschliche Organisationen sind komplexe adaptive Systeme.“

Und eben keine einfachen Input-X-Output-Y-Automaten. Doch auf eben dieser Kausalitäts-Denkweise bauen heute noch die Strukturen in den meisten Firmen auf. Dies oft wider besseren Wissens. And auch, OBWOHL dort vielleicht schon laut Firmenpropaganda agil gearbeitet wird).


Den Rahmen für Zusammenarbeit

zu stecken ist DIE klassische und oberste Management- und vor allem auch Führungsaufgabe. Im agilen Change ist sie sogar besonders wichtig, eben weil es um einen fast schon maximal großen (Werte-) Wandel geht, mit dem unweigerlich sehr viele starke (Verlust-) Ängste und Widerstände verbunden sind.

Insofern ist für mich die Eingangsfrage eindeutig zu beantworten: Agiles Management unterscheidet sich stark vom bisherigen Management. Zum Beispiel weil

  • es davon überzeugt ist, dass es ausschließlich intrinsische Motivation gibt;
  • weil es radikal auf weitgehend selbstorganisierte Gruppenprozesse vertraut und sie deshalb uneingeschränkt auf (strukturierten) Gruppenentscheidungen aufbaut;
  • weil es ausschließlich in Aufgaben und Rollen denkt und deshalb komplett auf Hierarchie, Status und infolgedessen auf Zwang jeglicher Art verzichtet – nicht nur in der allgemeinen organisatorischen Struktur, sondern vor allem in der individuellen Kommunikation und im Handeln!

All das macht deutlich

Zwar bleiben Manager Manager. Aber es braucht spezialisierte agile Manager! Denn Agilität hat eine bestimmte Ausrichtung mit einem bestimmten Auftrag, woraus sich für alle andere Aufgaben als in einem nicht-agilen Umfeld ergeben.

Deshalb brauchen agile Manager andere Fähigkeiten und Mittel und auch andere Strukturen als ihre Kolleginnen und Kollegen in nicht-agilen Organisationen. Vor allem aber brauchen agile Manager eine SYSTEMISCHE Prozessdenke, agile Überzeugungen und eine entsprechende persönliche Haltung.

Und den ÜBERZEUGTEN Willen des Top-Level Managements, agil zu arbeiten. Mit allem, was dazugehört.