Agil! ist seit neuestem bei Ihnen die Devise? Jetzt haben Sie ein paar Fragen? Sie sind nicht allein. Ich bin kürzlich gefragt worden: Neben der Methodik ist vor allem eine Veränderung der Firmenkultur notwendig. Wie geht man besten damit um?
„Die Kultur folgt der Struktur.“
Dieser für mich sehr sinnhafte Satz besagt, dass sich sich Kultur nur ändern lässt, indem man die Dinge dauerhaft anders angeht. Also mit anderen Gewohnheiten als bisher.
Das mag banal klingen. Aber alle, die mit Veränderungen in Organisationen zu tun haben, also mit Verhaltensänderungen einer Gruppe oder sogar mehrerer Gruppen von Menschen, wissen: Das ist alles andere als einfach.
Agilisten gehen deshalb so vor
dass sie – gemeinsam – damit anfangen auszuprobieren, welches Muster jetzt am besten funktioniert. Sie versuchen, so gut es geht aus den Erfahrungen zu lernen – mancher mag dazu vielleicht sogar Fehler sagen. Sie sind nicht nur unvermeidlich, sondern ja sogar erwünscht.
Deshalb freuen wir uns darüber. Allerdings nur, wenn die Fehler nicht dumm waren, sondern eben – ganz in agiler Manier – im Rahmen des Experiments in möglichst sicherer Umgebung und in möglichst sicherem Umfang gemacht wurden.
So können wir bewusst aus Fehlern lernen und auch: immer besser werden. Und zwar zielgerichtet, also nicht durch zufällige Ereignisse, sondern gesteuert dort, wo wir uns auch wirklich verbessern wollen oder verbessern müssen.
Ja, auch das ist leichter gesagt als getan.
Denn wir entstammen alle – und hierzulande vielleicht besonders – einer Kultur mit Hang zum Perfektionismus. Die Angst, Fehler zu machen, ist da groß. Und das noch einmal mehr in hierarchisch geprägten Unternehmen.
Für alle, die mit Agilität die überfällige Bewegung in die zwanghafte Hierarchie bringen wollen, ist das eine nicht zu unterschätzende Hürde. Lernen durch Fehler ist nicht so richtig sexy in einer Welt, in der aus Überzeugung Experimente gemieden und Fehltritte und Fehler meist hart bestraft werden.
Andererseits sind Teams aus der hierarchischen und arbeitsteiligen Welt
sehr ernsthaft und gründlich. Deshalb versuchen sie Agilität dann besonders gut und perfekt umzusetzen. Was wiederum sehr hilfreich ist.
Und aus Sicht eines Betrachters von außen manchmal auch ein bisschen lustig.
Ich plädiere immer dafür
wertschätzend mit sich und seiner Vergangenheit umzugehen. Das bedeutet anzuerkennen, dass die bisherigen Strukturen sehr lange und aus gutem Grund zum Erfolg beigetragen haben.
Jetzt sind sie aber eben nicht mehr so passend oder wirksam wie früher. Und das ist meist den äußeren Umständen geschuldet.
Das Neue ist deswegen nicht grundsätzlich besser, nur eben momentan passender.
Nach meiner Erfahrung ist es sehr wichtig, dass sich die Menschen im Team über all diese Dinge klar werden und austauschen. Denn damit verbunden ist ja auch die sehr nachvollziehbare Frage: Warum sollen wir eigentlich Agilität machen? Bislang hat doch alles gepasst, so wie es war. Was ist jetzt anders als früher? Diese Dinge sind nicht allen Mitgliedern einer Organisation klar.
Wenn sie keinen Grund oder keinen guten Grund im agilen Tun sehen, wenn sie keine Vorteile für sich erkennen, werden sie bei den alten Gewohnheiten bleiben.
Dasselbe gilt natürlich auch für die Ziele und Wünsche
die mit den neuen agilen Strukturen verbunden sind. Oder eben auch nicht. Darüber und auch über eventuell bestehende Ängste, die mit dem Wandel verbunden sind, ist zu sprechen. Mit ihnen ist umzugehen, wenn man will, dass die Organisation als Ganzes agiler, flexibler, innovativer, übergreifender, kunden- und marktnäher – kurz also: agiler als bisher agiert.
Denn vergessen wir nicht, das neuartige, agile Arbeiten kann eben schon auch: Angst machen. Vom Ansatz her ist es nämlich etwas wirklich sehr anderes als das, was wir uns von Kindesbeinen an an hierarchischen, arbeitsteiligen Spezialisten- und Status-Routinen antrainieren.
Von der praktischen Seite her
beginnen agile Veränderungen deshalb auch meistens erst einmal an nur einer – überschaubaren – Stelle im Unternehmen, z.B. in einer Abteilung, die ein Projekt agil angeht. So werden – sozusagen exemplarisch für die gesamte Unternehmung – Erfahrungen gesammelt und ausgewertet. Von den dortigen Erfahrungen aus kann, wer will, agile Strukturen gegebenenfalls in andere Unternehmensbereiche ausweiten. Wenn das als sinnvoll erscheint.
Um über all das entscheiden zu können
ist natürlich sinnvoll zu wissen, welcher Arbeitsrahmen für welches Problem gedacht ist und – besonders wichtig -, welche GRUNDSÄTZLICHEN Überlegungen der Agilität zugrunde liegen.
Sich einen grundlegenden Überblick über agile Arbeitsweisen zu verschaffen, ist also sicher eine lohnende Maßnahme.
Und noch ein letzter wichtiger Tipp
Kümmert Euch um eure Fähigkeiten, in der Organisation gut mit Konflikten umzugehen. Denn agiles Arbeiten fördert zwar in aller Regel die Zufriedenheit. Das aber, weil wir OFFEN und TRANSPARENT über Konflikte sprechen.
Das zählt im Land der deutschen Tugenden (Leistung! Status! Fleiß! Gehorsam!) erstaunlicherweise und sehr leider nicht zu unseren Stärken. Man könnte auch so sagen: Wir können das einfach nicht.
Konflikte sind also vielleicht das erste große und wunderschöne Lernfeld für uns alle bei einer agilen Veränderung in unserem Unternehmen.
Je schneller wir uns da ran machen, desto besser wird es sein.
🙂
Weiterführende Links
- Übrigens: Konflikte sind. Und sie sind gut. (Blogpost)
- Erfolgreiches Management heißt: Gut streiten (Podcast)
- Gemeinsame Unternehmungen werden nur gemeinsam gut. (Teamworkblog)
- Tooling #6: Take it to the team (Blogpost)
- Tooling #5: Die gute alte Systemtheorie (Blogpost)
- Tooling #4: Die gute alte Augenhöhe (Podcast)