„Denn Leistung verfügt nicht nur über eine subjektive Seite, sie lebt nicht nur in Vorstellungen und Gefühlen.“
„Die Kategorie verweist auch auf einen allgemein anerkanntes Ordnungsprinzip der Bundesrepublik Deutschland und vieler anderer Staate, die sich als Leistungsgesellschaften begreifen. Bürgerinnen werden zu maximaler Anstrengung im Berufsleben und zur Steigerung individueller Fähigkeiten mit dem Versprechen motiviert, höhere Leistung zahle sich aus: durch höheres Einkommen, höheren Status, mehr Einfluss, mehr Verfügungsgewalt über knappe und begehrte Ressourcen. Und für die Verteilung dieser Dinge muss man Leistung messen.
Zumindest das Versprechen der Leistungsgerechtigkeit wird von vielen gutgeheißen, und bereits das ist verwunderlich. Denn unabhängig von der Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit beziehungsweise vom realen Einfluss der Herkunft auf soziale Positionierung gibt es ein weiteres, viel grundlegenderes Problem, das sich auch in der besten aller Welten nicht aus der Welt schaffen ließe.
Die Hierarchisierung von Menschen entlang ihrer Leistung kann gar nicht gerecht sein, denn es fehlt ein neutraler Maßstab, um das, was als individuelle Leistung gilt, gelöst von normativen Setzungen zu bestimmen.
Zwar ist aus der Schule die schlichte physikalische Formel von Leistung als ‚Arbeit pro Zeit‘ bekannt. Aber ‚Arbeit‘ im physikalischen Sinne kann sehr Unterschiedliches bedeuten. Und geht es bei der menschlichen Leistung um Quantität einer Tätigkeit oder um ihre Qualität, um das Arbeitspotential oder um das in einer konkreten Situation erbrachte Ergebnis? “
Verheyen, Nina: Die Erfindung der Leistung. München, 2018.