Donnerstag, der 8. April 2021

Veränderung: Wir müssen sprechen!


Problem talking creates problems.
Solution talking creates solutions.


Wir müssen sprechen. Und zwar über die richtigen Dinge. Und auf eine gute Art und Weise. Zumindest sollten wir das dann tun, wenn wir uns und unser Geschäft erfolgreich neuen Gegebenheiten anpassen wollen oder müssen. Ein kleines Einmaleins von Veränderungsvorhaben.


Vielerorts ist Nervosität, Aufregung, ja, manchmal sogar blanke Angst zu spüren ob der viel zitierten disruptiven und verändernden Kräfte, die heutzutage auf so vielfältige Weise auf so viele Bereiche wirken und dabei so viele etablierte Geschäftsfelder umgestalten.

Es wird ungemütlicher. Und das, obwohl uns das doch so lästig ist. Störungen mögen wir Menschen als (vermeintlich sehr intelligente) Gewohnheitstiere gar nicht. Lieber sind uns gewohnte Routinen, eingespielte Abläufe und Denkweisen. Also versuchen wir, Störendes möglichst schnell zu beseitigen. Hartnäckigeres bekämpfen wir sogar. Oder wir ignorieren einfach Dinge, die uns das Leben schwer machen. Auf dass sie sich in Luft auflösen!

Erst wenn all dies nichts nutzt und wir keine andere Wahl mehr haben, beginnen wir damit, uns der veränderten Lage anzupassen. Selbst wenn das bedeutet, unsere gemütliche Komfortzone mit all jenen Mustern zu verlassen, die uns bislang erfolgreich gemacht haben.


Problem talking creates problems…

In genau dieser heiklen, emotional und kognitiv schwer zu handhabenden und zu reflektierenden Situation finden sich heute also immer mehr Menschen, Teams, Firmen, ja ganze Branchen und – wenn wir ehrlich sind – sogar Gesellschaften.

Nachdem die letzten Jahre viel Energie in Abwehrkämpfe gegen die Störer (und die Störung selbst) gesteckt wurde, scheinen immer mehr Menschen zu erkennen: Wir müssen uns ändern. Auch wenn uns das schwer fällt. Let’s deal with it!

Doch: Wie? Was ist zu tun? Wie verändert „man“ sich eigentlich? So ganz generell? Und organisatorisch? Was heißt das für uns? In unserer ganz eigenen Situation? Schließlich ist die doch außergewöhnlich und mit nichts zu vergleichen. Bei uns herrschen doch immer schon besondere Umstände, wir sind eben ganz eigen…

Nichts sei praktischer als eine gute Theorie, heißt es nicht ganz zu unrecht. Sehen wir uns deshalb an, was die Systemtheorie darüber zu sagen hat, wie Systeme entstehen und sich entwickeln. Auch Organisationen sind Systeme. Woraus bestehen sie? Was macht sie aus?


Die wichtigste Erkenntnis

Organisationen (bzw. Systeme) be- und entstehen nicht aus Menschen, wie man leicht annehmen könnte. Sondern aus Kommunikationen./1/ Die aber werden – natürlich – durch Menschen gestaltet. Was als überkandidelte theoretische Haarspalterei wirken mag, ist sehr konkret und lebensnah gemeint. Und auch leicht nachvollziehbar:

Alles, was wir gemeinsam angehen – alle beruflichen und privaten Vorhaben,  alle Aufgaben, die wir gemeinschaftlich angehen, Firmen, Abteilungen, Projekte, unsere Geschäfts- und privaten Beziehungen, Partner- und Freundschaften, Vereine, Parteien bis hin zum Staat und zur Gesellschaft – all das entsteht durch jene ganz konkreten Dinge, Sachfragen und Themen, über die wir in Bezug auf sie denken, sprechen und schreiben: in persönlichen Gesprächen, am Telefon, in Meetings, in der Kantine, Kaffeeküche und auf Parties, auch in Selbstgesprächen, in E-Mails, Protokollen, Social Media, in Blogs, Zeitungen, Nachrichtensendungen, Talkshows etc.

Indem wir kommunizieren – und nur dadurch (!) -, hauchen wir unserer Welt Leben ein. Und so eben auch unserer Organisation. Und: Dadurch, wie und wann, auf welche spezifische Art und mit wem wir sprechen, schreiben oder sonstig kommunizieren (auch: wann und mit wem wir das nicht tun), gestalten wir sie auf unsere eigene Art und Weise. Wir geben unserer Organisation (und Welt) damit – und ausschließlich damit – die Form, die sie eben hat.


So what?

Was soll uns das nun in unserer Situation helfen, die von uns verlangt, dass wir uns verändern und anpassen? Die uns dazu zwingt, uns aus der Komfortzone zu begeben? Jene Komfortzone, die aus den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Institutionen, Unternehmens- und Organisationsformen besteht, die wir uns im Verlauf des 20. Jahrhunderts zusammenkommuniziert haben: stabil, hierarchisch, ultraklar strukturiert, leistungsorientiert, mit stark vorgebenen Strukturen und Rollenverteilungen, Zuständigkeiten, Produktions- und Vermarktungsroutinen, Karrierewege, machtorientiert bis hin zum Zwanghaften, ja fast schon Gewalttätigen?

Helfen kann uns die Erkenntnis, dass für eine erfolgreiche strukturelle Veränderung oder Anpassung (Neudeutsch: Change), im Grunde nur ein einziges Mittel zur Verfügung steht: Anders (und das heißt oft: überhaupt) miteinander zu sprechen; über andere Dinge mit anderen Menschen auf eine andere Art und Weise; andere, neue Themen und Worte zu wählen und sie auf anderen, neuen Kanälen und in anderen Formen zu übermitteln; andere Menschen in anderen Zirkeln, Kontexten und Foren zu treffen und mit ihnen auf eine neue Art und Weise zu kommunizieren, zu entscheiden und zu dokumentieren.

 … solution talking creates solutions.

Konkret kann das natürlich sehr vieles bedeuten:

  • Das siebenseitige Protokoll, das in Wirklichkeit keiner liest, durch das Fotoprotokoll mit den Post-Its an der Wand ersetzen.
  • Offene Runden, MeetUps ins Leben rufen, in welchen Menschen aus unterschiedlichen Bereichen kreativere Ansätze erarbeiten können, auf die sie in ihren Silos gar nicht kommen können.
  • Mit den KollegInnen von der Nachbarabteilung über Lösungen anfangen zu sprechen, statt ewig und immer wieder die Frage zu erörtern, wer was verbockt hat (oder endlich einmal klären, wer was ständig verbockt).
  • Einige der vielen Abstimmungsrunden sein lassen und in manchen Bereichen Entscheidungen anders und schneller treffen.
  • Lösungs- statt problemorientierte Sprache einführen.
  • Kommando- und Befehlssprache durch gewaltfreie Kommunikation ersetzen (oder umgekehrt).
  • Als Führungskraft für sich selbst anerkennen und dann „öffentlich“ thematisieren, dass man das Fachliche nicht mehr bis ins Detail kennen kann.
  • Alle – Vorgesetzte und Mitarbeitende – das Mikromanaagement sein lassen (sich also auf die Zunge beißen, wenn man gerade wieder dabei ist, dem/der jeweils anderen zu erklären was er/sie wie zu tun hat).
  • Kreisförmige statt hierarchische Organigramme zeichnen…

Doch warum sollen wir das tun?

Weil wir wissen, dass wie wir unsere Welt bislang gestaltet haben, wie wir also bislang kommuniziert haben, heute nicht mehr so erfolgsversprechend ist wie früher.

Jetzt geht es darum, herauszufinden, was uns nun in unserer aktuellen, eben tendenziell unsicheren und veränderten Situation helfen könnte. Die Art anzupassen, wie wir miteinander sprechen, ist die einzige Weise, uns neue Denk- und Handlungsroutinen und damit strukturelle Organisationsformen zu verschaffen, die dann eben auf die veränderte Umwelt besser passen.

Anders ausgedrückt: Bewusst gestaltete Narrative – das, worüber und wie wir miteinander sprechen (und was wir davon glauben) und worüber und wie nicht – sind das einzige Mittel, um uns zu verändern und unsere organisatorischen Strukturen so zu gestalten, dass wir mit ihnen weiterhin erfolgreich und gut leben können. Je bewusster, zielgerichteter und reflektierter wir gemeinsam darüber entscheiden und auch je früher wir damit beginnen, desto besser wird es für uns, unser Vorhaben und auch unser Umfeld sein. Nur so kommen wir unserer Verantwortung nach und sorgen dafür, dass sich die Dinge in die richtige Richtung entwickeln.


Wenn unser Veränderungsvorhaben gut werden soll, sollten wir unsere Worte mit Bedacht wählen. In Zeiten, in welchen Worte wie „Handelskrieg“ etc. plötzlich wie selbstverständlich verwendet werden, scheint mir dieser Hinweis besonders wichtig.


Dieser Text erschien zuerst am 25. November 2019 auf www.teamworkblog.de


Anmerkungen

  • /1/ Und zwar, das ist gar nicht so unwichtig: Aus „anschlussfähigen“ Kommunikationen. Befehle und Anordnungen gehören meistens nicht in diese Kategorie.

Literaturhinweise