Welchen Job wir auch immer zu erledigen haben
wir werden dabei mit der Frage konfrontiert, wie wir am besten zum Ziel kommen. So haben wir uns also regelmäßig für den nächsten Schritt zu entscheiden. Im Zweifel – frei nach Karl Valentin – natürlich für den richtigen.
Das ist kein Problem für uns, sofern es überschaubar und vorhersehbar zugeht. Wenn wir also sicher sagen können, was passiert, wenn wir dieses oder jenes tun.
Meist aber ist das für uns nicht so leicht. Dann nämlich, wenn mehrere Menschen, Teams, Abteilungen und auch Firmen beteiligt sind (eben: fast immer). Dann wird es unübersichtlicher und schwieriger.
Wie kommen wir in solchen Situationen zu guten Entscheidungen?
- Wie geht z.B. die Geschäftsführung am besten vor, wenn sie den Finanzbereich dringend neu aufstellt?
- Wie entscheidet der Manager, wenn er die neue Verfahrenstechnik einführt?
- Wie motiviert die Abteilungsleiterin ihr Team dazu, die anstehende Neuausrichtung und den Umbau der Abteilung mitzutragen?
- Was tut der Scrum Master, damit das Sprint Planning strukturierter und besser läuft?
- Wie bringen wir unsere sympathischen, aber verplanten externen Entwickler dazu, rechtzeitig und gut ihre Arbeit abzuliefern?
Mein Vorschlag: „Take it to the team!“
Denn dabei werden wichtige Fragen der GEMEINSAMEN Arbeit
und der Organisation der Aufgaben mit möglichst vielen, am besten mit ALLEN Betroffenen GLEICHZEITIG (!) besprochen und Wege zur Lösung gesucht. Das Ziel: Möglichst viele, am besten alle tragen die gemeinsame Lösungen mit.
„Take it to the team“ bedeutet also, Betroffene zu Beteiligten zu machen.
Das ist nicht nur außerordentlich zielführend.
Oft ist es sogar der einzige Ausweg aus Situationen, in denen sich Führungskräfte, Mitarbeitende, Projektmitarbeitende, Zulieferer und Kunden oft verheddert haben, z.B. in Kompetenzgerangel und zwanghaften, co-abhängigen Fingerzeig-Spielchen.
In erster Linie hängt das mit der “Mechanik” menschlicher Motivation zusammen: Wenn Menschen sich aufmachen, etwas zu tun, also zu verändern oder zu verbessern, sind generell IMMER zwei Voraussetzungen erfüllt:
- Positives Vertrauen/Hoffnung: Erstens gehen wir UNERSCHÜTTLERLICH davon aus, dass (für uns oder unsere wichtige Sache) NACH dem Tun etwas BESSER sein wird ALS VORHER – und sei es auch noch so marginal.
- Selbstwirksamkeit: Zweitens sind wir ABSOLUT davon überzeugt, dass wir die nötigen Schritte des Tuns irgendwie und zumindest teilweise aus eigener Kraft meistern können.
So kommen wir ins Tun, ins Engagieren.
So beginnen wir, Zeit und Energie zu investieren, oft sogar uns anzustrengen und Dinge zu tun, die wir vorher vielleicht nicht oder sogar noch nie getan haben./1/
Dies gilt für Einzelne wie für kleinere und größere Gruppen. Also z.B. für eine Führungskraft und seinen Mitarbeiter, der mehr Projektaufgaben übernehmen soll. Oder für ein Projektteam, das mit externen Entwicklern anders zusammenabreiten möchte oder muss. Oder für die Geschäftsführung und seinen Finanzbereich, der eine neue Struktur bekommen soll.
Allerdings geht in Gruppen von Menschen gar nichts
ohne noch eine weitere Zutat: GEMEINSCHAFTLICH schreiten Menschen dann erst zur Tat, wenn ein gewisser (aber nicht besonders großer) kritischer Teil der Gruppe davon überzeugt ist, dass Ziel und Maßnahmen sinnvoll sind./2/ Und auch davon, dass die Gruppe es mit VEREINTEN Kräften schaffen kann.
Für diese drei Grundvoraussetzungen hat also zu sorgen, wer gemeinsam mit anderen, und dann auch noch zielgerichtet und erfolgsorientiert arbeiten möchte (was ich als Ziel gelungener Zusammenarbeit definiere).
Ohne „Take it to the Team!“ wird das schwer (bis unmöglich).
Denn natürlich sind wir immer darauf angewiesen
dass unsere Inhaber und Geschäftsführung, unsere Vorgesetzten, Mitarbeitenden und KollegInnen, unser Projektspezialisten und Zulieferer, unsere AnwenderInnen und KundInnen das, was wir tun, mittragen und uns unterstützen – zumindest im Großen und Ganzen und idealerweise bis ins Detail./3/
Vor allem dann, wenn es um maximalen Erfolg gehen soll (also: IMMER./4/), ist wichtig, genau DAS zu berücksichtigen.
Auch sollten wir uns stets daran erinnern
dass sich Unterstützung und Sinn nicht verfügen oder mit Zwangsmittel her- oder sicherstellen lassen. Im besten Falle erschwert es das Vorhaben nur durch kostspielige Widerstände. Im Normalfall verhindert es aber Erfolg. Und zwar meist auf breiter Linie./5/
Deshalb, welche Rolle Sie auch immer im Unternehmen oder im Team haben: Take it to the Team!
Treffen Sie so wenig einsame Entscheidungen wie möglich. Beziehen Sie so viele Betroffene wie es irgendwie geht mit ein. Suchen, finden und gehen Sie den Weg zusammen:
- Müssen Sie also Ihren Finanzbereich umstrukturieren, diskutieren Sie mit den Experten des Bereichs, was gute Strukturen sind und wie der Umbau gelingen kann.
- Besprechen Sie sich bei der Einführung einer neuen Verfahrenstechnik mit den Abteilungen und Menschen, die von der neuen Technik profitieren sollen und mit jenen, die die neue Technik schlussendlich bedienen und mit der Geschäftsführung, die das finanzielle Risiko zu tragen haben. Je mehr Perspektiven Sie miteinbeziehen, desto besser.
- Sollten Sie sich also z.B. fragen, wie Sie Ihr Team motivieren, bei der anstehenden Umstrukturierung mitanzupacken: Fragen Sie das Team, was es dazu braucht.
- Sprechen Sie als Scrum Master das Problem der unstrukturierten und schlechten Plannings in der Retrospective an, schaffen Sie in der Gruppe ein allgemeines Problembewusstsein dafür und fragen Sie PO und Team, was ihnen einfällt, die Planungssituation zu verbessern.
- Sprechen Sie als Entwickler Konflikte offen an, schnappen Sie sich also Ihren Scrum Master und vor allem Ihren Product Owner und legen offen, welche Probleme rigide Ansagen für Ihrer aller Arbeit bedeuten. Finden Sie gemeinsam eine Lösung für dieses Problem.
- Dasselbe gilt für die sympathischen, aber verplanten externen Entwickler: Stellen sie klar, dass auch sie ihre Arbeiten pünktlich und fertig abzuliefern haben und suchen Sie gemeinsam, wie das zu schaffen ist.
Der Vorteil ist natürlich, dass die Lösungen
die auf diese Weise gefunden werden, für alle viel akzeptabler sind als wenn sie nur verkündet oder befohlen werden. Denn es waren ja alle dabei.
Auch sind die Entscheidungen besser, weil sie informierter erfolgen. Viele betroffene Experten konnten ihre fachliche Sicht miteinbringen.
Schlussendlich führt all das auch dazu, dass die abgesprochenen Maßnahmen mit höherer Wahrscheinlichkeit umgesetzt werden. Denn man hat sich gemeinsam in der Gruppe dazu bekannt.
Doch wie bringt man Themen, Fragen, Entscheidungen zum Team?
Wen beteiligt man auf welche Weise? Wie funktioniert das konkret?
Wichtig und etwas ungewohnt: Indem möglichst alles in der großen Runde besprochen wird. Von möglichst vielen gleichzeitig in einem Raum! Also: Möglichst keine Nebenbesprechungen in kleineren Gruppen oder unter vier Augen.
Um Zeit zu sparen, maximale Offenheit zu ermöglichen und so Vertrauen zu ermöglichen (keine Nebenabsprachen, schon gar keine geheimen!).
Ansonsten wenden Sie alles an
was Sie an Methoden, Techniken und Ansätzen aus der Management-, Selbstmanagement-, Coaching- und Beratungswelt kennen und können./6/
Und was davon auf echte, faire, professionelle Arbeitsbeziehungen ausgerichtet ist. Und NICHT auf unfaire, übervorteilende Manipulation (soll es ja auch geben, was man so hört).
Darüber hinaus gibt es jede Menge Formate, Tools und Ansätze, die in der Gesprächsführung und in der Moderation hilfreich sind – je nach spezifischer Situation. Eine kleine Auswahl in meinen Werkzeugkasten (siehe auch Literaturangaben unten):
- Toyota Kata (Rother)
- Managing for Happiness (Appelo)
- Liberating Structures (Lipmanowicz/McCandless)
- Verkettete Gespräche (Poppenburg/Vollmer)
- Inviting Leadership und Open Space Agility (Mezick)
- Game storming (Grey/Brown/Macanufo)
- Appreciative Inquiry (Cooperrider)
- Open Space Technology (Owen)
- World Café (Brown/Isaacs)
Diese Ansätze helfen Ihnen,
wesentliche Fragen mit Ihren KollegInnen und mit Ihrem Team zu besprechen. So geben Sie ihnen die Chance, mitzugestalten und sich mit ihrem Wissen und Können motiviert einzubringen. Und WIE Sie das angehen, ist zweifellos eine wichtige Frage.
Entscheidend aber ist, DASS Sie es tun.
Suchen und finden Sie also die richtige Ansprache und Methoden.
Und denken Sie daran, dass es EIGENTLICH nur eines braucht: EHRLICHE GESPRÄCHE.
In diesem Sinne: Take it to the Team!
Viel Spaß dabei – der Erfolg kommt von allein.
Literatur
- Adkins, Lyssa: Coaching Agile Teams. A Companion for Scrum Masters, Agile Coaches, and Project Managers in Transition.
- Ameln, Falko von: Konstruktivismus. Die Grundlagen systemischer Therapie, Beratung und Bildungsarbeit.
- Appelo, Jurgen: Managing for Happiness. Übungen, Werkzeuge und Praktiken, um jedes Team zu motivieren.
- Bauer, Joachim: Das Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren.
- Bregman, Rutger: Humankind. A Hopeful History.
- Brown, Juanita; Isaacs, David: The World Café. Shaping Our Futures Through Conversations that Matter.
- Cleese, John: Creativity. A Short and Cheerful Guide. New York, 2020.
- Cooperrider, David L.; Whitney, Diana: Appreciative Inquiry. A Positive Revolution in Change.
- Gray, Dave; Brown, Sunni; Macanufo, James: Gamestorming. A Playbook for Innovators, Rulebreakers, and Changemakers.
- Intrinsify (Marc Poppenborg, Lars Vollmer): www.intrinsify.de
- Liberating Structures: www.liberatingstructures.de
- Mezick, Daniel J.; Pontes, Deborah; Shinsato, Harold: The Open Space Agility Handbook.
- Nowak, Martin A., Highfield, Roger: Kooperative Intelligenz. Das Erfolgsgeheimnis der Evolution.
- Ōno, Taiichi: Workplace Management.
- Owen, Harrison: Open Space Technology: A User’s Guide.
- Rodehack, Edgar: Mitmachen leichtgemacht: Walk your talk. Und talk your walk.
- Rodehack, Edgar: Veränderung: Wir müssen sprechen.
- Roth, Gerhard: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern.
- Roth, Gerhard: Über den Menschen.
- Rother, Mike: Die Kata des Weltmarktführers Toyotas Erfolgsmethoden.
- Seliger, Ruth: Einführung in Großgruppen-Methoden.
- Senge, Peter M.: Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation.
- Simon, Fritz B.: Einführung in die systemische Organisationstheorie.
- Snowden, Dave: Cynefin – Weaving Sense-Making Into the Fabric of Our World.
- Wohland, Gerhard; Wiemeyer, Matthias: Denkwerkzeuge der Höchstleister. Wie dynamikrobuste Unternehmen Marktdruck erzeugen.
Anmerkungen
- /1/ Wohlgemerkt, das sind Voraussetzungen. Und keine Garantie dafür, dass sich die Dinge wirklich wie gewünscht entwickeln. Oder dass die Menschen tatsächlich in der Lage sein werden, alle notwendigen Schritte zu tun oder den Prozess zu kontrollieren.
- /2/ Heißt oft auch: Dass sie keinen oder zumindest nicht viel Schaden anrichten.
- /3/ Auch übrigens, warum wir das tun.
- /4/ Und also: Minimaler Aufwand, maximaler (wirtschaftlicher) Outcome.
- /5/ Auch wenn uns das z.B. hierarchische Organisationsstrukturen oder machtgeprägte Statushierarchien versprechen ohne es jemals einhalten auch nur zu können.
- /6/ Führungstechniken und -stile, Kommunikationstechniken, Moderation, Mediation, Verhandlungsführung usw.