Thursday January 26th, 2023

Agilität – nur ein Theoriegespinst für die IT, das sich ja doch nie komplett umsetzen lässt?

Sorry, this entry is only available in German. For the sake of viewer convenience, the content is shown below in the alternative language. You may click the link to switch the active language.


Agiler arbeiten! ist seit einiger Zeit bei Ihnen im Laden die Devise? Sie aber fragen sich, was das alles soll? Sie sind nicht allein. Ich bin z.B. kürzlich gefragt worden, ob agiles Arbeiten nicht immer noch nur ein “Theoriegespinst” oder eine Methode für IT-Abteilungen ist. Eine, die sich in einer kompletten Organisation nie wirklich umsetzen lassen wird?


Ja, Agilität, so wie wir sie heute verstehen

hat seinen Ursprung in der IT. EIGENTLICH ist die Idee der organisationalen Agilität aber schon viel älter (siehe hierzu einen Post meines Kollegen und Mentors, Jan Fischbach).

Dass ausgerechnet die IT die agile Idee aufgriff, ist kein Zufall. Es liegt daran, dass ihre Systeme, Phänomene und Geschäftsmodelle spätestens um die Jahrtausendwende so komplex geworden und mit den klassischen Geschäftsmodellen immer mehr verwoben waren, dass sie auf Teufel komm raus nicht (mehr) wie komplizierte Maschinen funktionieren und sich entsprechend managen lassen wollten.

Das war streng genommen zwar schon immer so nur jetzt konnte man diese Tatsache bei bestem Willen nicht mehr ignorieren oder kaschieren.

 


Planungsansätze, die auf der Idee relativ einfacher

Ursache-Wirkungs-Beziehungen aufbauten und für die Massenproduktion des 20. Jahrhunderts erfunden worden waren, also z.B. der viel zitierte Wasserfall, funktionierten jetzt selbst mit maximalem Zwang, Selbstbetrug oder Betrug nicht mehr. (Ein gutes Beispiel dafür ist das inzwischen schon wieder in Vergessenheit geratene Jahr 2000-Problem.)

Zudem wurden die Geschäftsmodelle in der damaligen aufstrebenden digitalen Welt immer abhängiger von IT-Services. Die wurden bis dahin mehr oder minder als unterstützende Hausmeisterdienstleistungen gesehen. Sie sorgten lediglich dafür, dass die anderen, vermeintlich wertschöpfenden Firmenabteilungen arbeiten und ihre Geschäftsmodelle gewinnbringend realisieren konnten. Mehr war von der IT nicht zu erwarten.


Ab der Mitte der 90er Jahre jedoch

begann der rapide digitale Trend, mit der Folge, dass sich das Verhältnis mehr und mehr umkehrte: Nun waren es plötzlich die IT-Lösungen, die die Treiber der wertschöpfenden Geschäftsmodelle waren, ja, diese erst möglich machten. Unter immer stärkeren Fokus auf den Einzelnutzen der Konsumenten.

Alle Unternehmensbereiche, alle Produkte und Services, ALLE Geschäftsmodelle waren plötzlich zu 100 Prozent von einer reibungslosen, kreativen, funktionierenden liefernden IT abhängig. In jedem Bereich. In jedem Industriezweig.


Organisatorisch bedeutete das

dass sich IT und restliche Abteilungen – konkret und praktisch und eben NICHT theoretisch – untrennbar miteinander verwoben. Denn nur so konnte man die immer komplexer gewordenen Anforderungen der Organisation, der KundInnen und des Marktes erfüllen.

Das ist die Welt, in der wir heute leben: Wir arbeiten in ultra-komplexen, IT-basierten Organisationen. Um ultra-komplexe Marktprobleme und Situationen zu lösen. Und zwar mit unseren ultra-komplexen Produkten und Services.


Im Gegensatz zu Kompliziertheit

bringt Komplexität es mit sich, dass wir nicht genau wissen oder vorhersagen können, was passieren wird, wenn wir diesen oder jenen Schritt tun. Nicht der noch so beste einzelne Experte oder auch Expertengremium kann das.

Also müssen wir uns ständig vortasten und anpassen. Und zwar nicht als Einzelne, sondern als Team, Abteilung, Unternehmung, Firmen-Kunden-System.


Die IT war schon vor dreißig Jahren in dieser komplexen Situation.

Sie hat damals (auch eher unfreiwillig) damit begonnen, nach einer organisatorischen Lösung für dieses Problem zu finden und im Zuge dessen agile Wege für sich adaptiert. Anders hätte sie mit dieser ultra-Komplexität nicht mehr umgehen können.

Und das NICHT THEORETISCH, sondern ganz PRAKTISCH.


Agilität war und ist also alles andere als ein Theoriegespinst.

Es ist ein praktischer Ansatz, um die Arbeit erledigen zu können. Und zwar in der Qualität, die KundInnen erwarten und auch erwarten dürfen.

Und weil IT und sämtliche (!!!) andere Geschäftsbereiche inzwischen untrennbar miteinander verbunden und voneinander abhängig sind, ist Agilität längst kein Ansatz mehr, der nur für die IT hilfreich und (überlebens-) wichtig ist.

Wir kommen alle nicht mehr um Agilität herum.

Je schneller wir diese Zusammenhänge erkennen, und je schneller wir Agilität zulassen, desto besser wird es sein.


Literatur

  • Fischbach, Jan: Über die Werte der Reformer von 1807/08. Blogpost auf www.teamworkblog.de
  • Laloux, Frederic: Reinventing Organizations. A Guide to Creating Organizations. Inspired by the Next Stage of Human Consciousness.
  • Wohland, Gerhard; Wiemeyer, Matthias: Denkwerkzeuge der Höchstleister. Warum dynamikrobuste Unternehmen Marktdruck erzeugen.
  • Snowden, Dave: Cynefin – Weaving Sense-Making Into the Fabric of Our World.
  • Snowden, David J.; Boone, Mary E.: A Leader’s Framework for Decision Making. Harvard Business Review, November 2017.